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Stolperstein für Kurt Brüssow

Zur Person

Kurt Brüssow
– Schauspieler, Überlebender, Vorbild



Viele wissen gar nicht, dass auch Homosexuelle im Dritten Reich von den Nazis systematisch verfolgt, erniedrigt, entwürdigt, entmenschlicht und in Konzentrationslagern vernichtet worden sind, da sie wie viele andere Minderheiten aufgrund ihres Andersseins und -lebens nicht ins arische Weltbild passten.

Da ich selbst homosexuell und in der Vergangenheit Ziel von Anfeindung und Ausgrenzung gewesen bin, keimte in mir der Gedanke, auf das Schicksal zumindest eines dieser Opfer aufmerksam machen zu wollen, daran zu erinnern und ein Zeichen gegen den zunehmenden Rechtsruck und die Homophobie in unserer Gesellschaft zu setzen, da sich eine derartige Menschenverachtung in unserer Heimat nie wieder ereignen darf.

Diese Idee sollte in Form eines „Stolpersteins“ des Künstlers Gunter Demnig in die Tat umgesetzt werden, da ich diese Mahnmale des Innehaltens und Verneigens vor dem Schicksal der Opfer als passende Würdigung empfinde.

Aus diesem Grund nahm ich im vergangenen Jahr Kontakt zu dem Forscher und Schwulen-Aktivisten Jürgen Wenke aus Bochum auf, der sich seit langer Zeit ehrenamtlich und eigeninitiativ mit unendlich viel Herzblut und Geduld für genau diesen Zweck engagiert. Er stöbert im dunkelsten Winkel unserer Geschichte, um die Menschen ausfindig zu  machen, die unter den Nazis eben jenes Leid erfahren haben. Er durchforstet Aktenberge, setzt sich mit Behörden auseinander, spürt Angehörige auf und erstellt schließlich die Biographie dieser Menschen. So gibt er ihnen Stück für Stück ihren Namen und ihre Identität zurück, was am Ende durch einen „Stolperstein“ vor der letzten bekannten Wohnstätte der Betroffenen seinen würdigen Abschluss findet und manchmal sogar von einer Straßenbenennung gekrönt wird.

Mein Wunsch war es, ein homosexuelles Opfer aus meiner Heimat Rügen bzw. Mecklenburg-Vorpommern zu ehren, um den persönlichen Bezug noch etwas mehr hervorzuheben. So kam es, dass Jürgen Wenke nach entsprechender Recherche auf die Spur des Schauspielers Kurt Brüssow geriet, der u.a. am Putbuser und zuvor am Greifswalder Theater beschäftigt war.

Es kristallisierte sich im Laufe seiner Forschungen eine ebenso erschütternde wie aufregende Lebensgeschichte heraus, die von viel Leid, dem an ihm begangenen Unrecht, aber auch von Mut, dem Willen zu (über-)leben und Hoffnung, etwas Gerechtigkeit zu erfahren, berichtet. Sie erzählt, wie Kurt Brüssow nur aufgrund seiner Existenz schikaniert, denunziert, nach Auschwitz deportiert und dort zwangskastriert wurde, aber auch, wie er das Lager überlebte und versuchte, trotz seiner zahlreichen Traumata ein „normales“ Leben zu führen, das ihm auch im Nachkriegsdeutschland alles andere als leicht gemacht wurde. Jürgen Wenke gelang es sogar, Brüssows Enkelkinder ausfindig zu machen, die dessen und letztlich auch ihre eigene Biographie um unentbehrliche persönliche Aspekte bereichern konnten.

Wer mit uns in das Leben und Wirken Kurt Brüssows eintauchen möchte, kann dies auf der von Jürgen Wenke initiierten Gedenkseite seiner Homepage: www.stolpersteine-homosexuelle.de machen. Dort erfährt der Interessierte, was Kurt Brüssow und unzählige andere Homosexuelle unter dem Nazi-Regime erlebten und in nur wenigen Fällen überlebten.

Jürgen Wenkes Arbeit an Kurt Brüssows Biographie seines steinigen Lebenswegs ist mittlerweile abgeschlossen, und wenn uns die Corona-Pandemie nicht zu sehr dazwischenfunkt, kommt es am 09.Dezember 2020, dem 110. Geburtstag Brüssows, zur Stolpersteinverlegung vor dem Greifswalder Theater und findet dort seine abschließende Würdigung.

Die Würdigung eines Überlebenden, der nur aufgrund seiner Liebe zum gleichen Geschlecht von den Nazis verfolgt, ins KZ Auschwitz deportiert, dort gequält, gefoltert und zwangskastriert wurde.

Die Würdigung eines Überlebenden, der nur mit Glück dieser Hölle entkam, aber für den Rest seines Daseins deren Narben trug.

Die Würdigung eines Überlebenden, der auch im Nachkriegsdeutschland keinerlei Anerkennung, Wiedergutmachung, Gerechtigkeit und Akzeptanz erfuhr, wofür er sein gesamtes von Leid geprägtes Leben tapfer gekämpft hatte.

Die Würdigung eines Menschen, dessen Überlebenswillen und Mut mich zutiefst beeindrucken.

Dank des Forschers Jürgen Wenke aus Bochum, der durch seine aufwendige Recherchearbeit das Leben dieses Menschen detailliert rekonstruieren konnte, kommt es nun zur besagten Stolpersteinverlegung im Dezember, damit zu einer späten Wertschätzung und Ehrung des Schauspielers Kurt Brüssow und zu einem unverzichtbaren Mahnmal gegen nationalsozialistische Gewaltherrschaft.


https://www.stolpersteine-homosexuelle.de/kurt-bruessow

Lars Kramer
im Oktober 2020

Bildquelle: Jürgen Wenke; www.stolpersteine-homosexuelle.de


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